Die F-Skala nach Adorno: So entstehen autoritäre Persönlichkeiten (2025)

Deutschland

Psychologie

Lesedauer: 3 Min

Evelyn Isaak

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Adorno erstellte gemeinsam mit einigen anderen Psycholog*innen die heute noch vielfach zitierte F-Skala. Damit sollen Merkmale einer autoritären Persönlichkeit festgehalten werden.

  • Die Studie hinter der F-Skala
  • Ziele der F-Skala
  • Die F-Skala selbst
  • Das Leben Adornos

Autoritäre Persönlichkeiten kommen sicher auch in deinem Alltag immer wieder auf. Adorno fragte sich, welche gemeinsamen Charakterzüge solche Menschen haben und entwickelte gemeinsam mit einigen anderen Psycholog*innen eine Skala, die Auskunft über häufige Merkmale geben sollte: die sogenannte Faschismus-Skala, kurz F-Skala genannt.

Die Forschung und das Ziel der F-Skala

Dem Entstehen eines autoritären Charakters auf den Grund zu kommen, interessierte nicht nur Adorno. Im Jahr 1943 startete vor Adorno schon der Psychologe Sanford ein Forschungsprojekt, welches im "Frankfurter Institut für Sozialforschung" durchgeführt wurde. Dieses Forschungsprojekt zur Authoritarian Personality weckte Adornos Interesse, sodass er dieses mit seinem eigenen Projekt weiterführte.

Ziele der Forscher*innen um Adorno waren einerseits, die Entstehung von Faschismus und Antisemitismus zu erklären, andererseits aber auch, allgemeine antidemokratische Tendenzen im Charakter einzelner Personen zu erfassen. Langfristig sollte die Forschung auch zu einem Wandel des autoritären Erziehungsstils hin zu einer demokratischen Erziehungsform führen. Zum Erfassen der Daten nutzten die Forscher*innen einen Fragebogen. Verschiedenen Aussagen gegenüber, die auf dem Bogen aufgeführt wurden, konnten die Versuchspersonen entweder Zustimmung oder Ablehnung ausdrücken. Aus den Ergebnissen der Fragebögen wurde die F-Skala entwickelt; sie soll die Anfälligkeit eines Individuums für den Faschismus beurteilen können und sich dabei auf die Charakterstruktur des Individuums beziehen. Der Begriff "autoritär" hat seinen Ursprung im lateinischen Wort auctoritas, welcher so viel wie "Ansehen", "Macht" und "Würde" bedeutet. Jemand, der eine autoritäre Persönlichkeit besitzt, habe folglich ein sehr hohes Potenzial für antidemokratische oder faschistische Weltansichten und Verhaltensweisen. Das Buch, welches zentrale Ergebnisse des Forschungsprojektes festhielt, erschien im Jahr 1950.

Trotz kritischer Stimmen sollte das Konzept auch heute noch als relevant angesehen werden, da man immer noch in vielen verschiedenen Gesellschaftsbereichen mit Menschen mit einer ausgeprägten autoritären Persönlichkeit konfrontiert ist. Beispiele für solche Gesellschaftsbereiche sind die Politik, aber auch die Familie oder der allgemeine Alltag.

Komponenten des autoritären Charakters und Beispiele

Insgesamt gelten laut der F-Skala 9 Einflussgrößen als relevant für das Entstehen von Autoritarismus:

  1. Konventionalismus: Starre Bindung an tradierte (=überlieferte) Werte und Normen. Itembeispiel aus der F-Skala: "Gehorsam und Respekt gegenüber der Autorität sind die wichtigsten Tugenden, die Kinder lernen sollen".
  2. Autoritäre Unterwürfigkeit: Unkritische Unterwerfung unter die idealisierte Autorität der Eigengruppe und der Wunsch nach einem starken Führer. Meinungen der Autorität werden nicht hinterfragt. Itembeispiel aus der F-Skala: "Was dieses Land vor allem braucht, mehr als Gesetze und politische Programme, sind ein paar mutige, unermüdliche, selbstlose Führer, denen das Volk vertrauen kann".
  3. Autoritäre Aggression: Tendenz, die Einhaltung konventioneller Normen und Werte zu überwachen und Menschen zu verurteilen oder zu bestrafen, die diese verletzen. Itembeispiel aus der F-Skala: "Die meisten unserer gesellschaftlichen Probleme wären gelöst, wenn man die Asozialen, Gauner und Schwachsinnigen loswerden könnte".
  4. Anti-Intrazeption: Abwehr von Fantasie und Kunst. Itembeispiel aus der F-Skala: "Der Geschäftsmann und der Fabrikant sind viel wichtiger für die Gesellschaft als der Künstler und der Professor".
  5. Aberglaube und Stereotypie: Glaube an die Bestimmung des eigenen Schicksals und Tendenz zu rigidem Denken. Itembeispiel aus der F-Skala: "Jeder Mensch sollte einen festen Glauben an eine übernatürliche Macht haben, deren Entscheidung er nicht infrage stellt".
  6. Machtdenken und Kraftmeierei: Denken in komplementären sozialen Kategorien, die durch Macht und Ohnmacht definiert sind: Herrschaft-Unterwerfung, stark-schwach, Führer-Gefolgschaft. Übertriebene Zurschaustellung von Stärke und Robustheit. Itembeispiel aus der F-Skala: "Die Menschen kann man in zwei Klassen einteilen: die Schwachen und die Starken".
  7. Destruktivität und Zynismus: Feindseligkeit und die Anlehnung humanistischer Ideale. Itembeispiel aus der F-Skala: "Es wird immer Kriege und Konflikte geben, die Menschen sind nun einmal so".
  8. Projektivität: Glaube an bösartige und gefährliche Vorgänge in der Welt. Itembeispiel aus der F-Skala: "Die sexuellen Ausschweifungen der Griechen und Römer sind Kindergartengeschichten im Vergleich zu dem, was heute bei uns zuweilen getrieben wird, selbst in Kreisen, wo man es am wenigsten erwarten würde".
  9. Sexualität: Exzessive Beschäftigung mit Sexualität bei gleichzeitiger Ablehnung ungewöhnlicher sexueller Vorlieben. Itembeispiel aus der F-Skala: "Homosexuelle sind auch nicht besser als andere Verbrecher und sollten streng bestraft werden".

Je stärker diese ausgeprägt sind, umso wahrscheinlicher sei der Mensch offen für antidemokratische Inhalte.

Kurzbiographie von Theodor W. Adorno

Theodor W. Adorno wurde 1903 in Frankfurt am Main geboren und genoss eine gute musikalische sowie Allgemeinbildung. Adorno war ein hochbegabtes Kind und las schon früh die komplexen Werke des Philosophen Kant. Dies weckte sein Interesse für die Philosophie, sodass er das Fach anschließend auch studierte.

Adorno verbrachte einige Zeit in den USA, wo er sich vor allem der Forschung widmete. Unter anderem arbeitete er mit den bekannten Soziologen Paul Lazersfeld und Max Horkheimer. Neben der Forschungsarbeit engagierte er sich auch sozial und nahm aktiv an Seminaren, Diskussionen und Vorträgen über den Charakter des Nationalsozialismus teil. Schon hier wurde sein Interesse geweckt, mehr über die Entstehung einer autoritären Persönlichkeit zu erfahren.

Erste Thesen stellte er während seiner Zusammenarbeit mit Max Horkheimer auf. Seine Forschungsfrage war, wie es sein könnte, dass "die Menschheit, anstatt in einen wahrhaft menschlichen Zustand einzutreten, in eine neue Art von Barbarei versinkt". Die zentralen Thesen Adornos wurden in seinem Buch Dialektik der Aufklärung festgehalten; seinen Durchbruch schaffte er aber durch die F-Skala aus der Forschung mit Sanford. Im Jahr 1969 starb der einflussreiche Philosoph, Soziologe und Musikwissenschaftler. Sein Schaffen wurde unter anderem besonders durch die Einführung des Theodor-W.-Adorno-Preises, ein Adorno-Denkmal, eine Adorno-Ampel und eine Platzbenennung nach ihm gewürdigt.

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